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Das Kinderheim

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eigentlich beginnt die Geschichte unseres Kinderheimes bereits im Jahr 1984 mit einem traurigen Ereignis. Denn in diesem Jahr flüchtete der damals neun Jahre alte tamilische Junge Udi Selvavinayagam mit seiner Familie vor den Bürgerkriegsunruhen in Sri Lanka nach Deutschland. Hier lebte er mit seinen Eltern und zwei älteren Geschwistern zehn Jahre lang im Süden Berlins. Er lernte die Sprache, ging zur Schule und sozialisierte sich in seinem neuen deutschen Umfeld. Obwohl er als Flüchtlingskind eine schlechte Ausgangsposition hatte, schaffte er seinen Schulabschluss an der Carl-Zeiss Oberschule in Berlin-Lichtenrade. Während dieser Zeit war er besonders stark in das Gemeindeleben der evangelischen Kirche am Südstern eingebunden. Hier hatte er seinen Lebensmittelpunkt und hier war auch der Ort, an dem er als 17-jähriger beschloss, sein Leben Gott und der Unterstützung seiner Landsleute im vom Krieg gepeinigten Sri Lanka zu widmen. Ein Jahr später - im Jahr 1994 - begleitete er aus diesem Grund als Übersetzer eine Gruppe von Pastoren nach Sri Lanka.

 

Udis Rückkehr nach Sri Lanka (1994)

 

Eigentlich wollte Udi am Anfang nur sechs Monate bleiben und dann zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren. Aus diesen sechs Monaten sind inzwischen über 20 Jahre geworden. Zu Beginn arbeitete er als Assistent eines tamilischen Gemeindepastors im Norden des Landes, ein Gebiet, dass Mitte der neunziger Jahre unter militärischer und administrativer Kontrolle der Rebellen stand. Schon bald geriet er in Schwierigkeiten, da durch seine Jugendzeit in Berlin Deutsch zu seiner Muttersprache geworden war. Sein gebrochenes Tamilisch fiel den Rebellen auf und er wurde verdächtigt ein Spion der sri lankischen Regierung zu sein. Deshalb wurde er 1995 verhaftet und kurz darauf aus den Rebellengebieten ausgewiesen.So kam er nach Vavuniya, einem Ort in Zentralsrilanka, dessen Umgebung das unmittelbare Frontgebiet zwischen den Kriegsparteien war. Hier ließ er sich an einer Bibelschule ausbilden und bekam im Jahr 1997 Arbeit als Gemeindepastor. Während dieser Jahre brach sein Kontakt nach Deutschland nie ab.

 

Eine Idee wird geboren: Das "Loving Children's Home" (2000 - 2002)

 

Neben seiner Familie hielt er Kontakt zu den Pastoren und zahlreichen Mitgliedern der evangelischen Kirche am Südstern in Berlin. Darunter war auch Dagmar Kugler, ein aktives Mitglied des gemeinnützigen Vereins Christliche Lebenshilfe e.V.. Als er ihr von den zahlreichen Flüchtlingskindern in der Region Vavuniya erzählte, begannen sie gemeinsam im Jahr 2000 ein Projekt zu planen, mit dem sie den Schwächsten in der Gesellschaft eine Chance geben wollten. Neben der materiellen Absicherung war es ihnen vor allem wichtig, zumindest einigen Kindern eine Familie zu geben, in der sie sich angenommen und geborgen fühlen. So entstand die Idee vom "Loving Children's Home", das zu Beginn noch "Noah's Ark Children's Home" hieß. Von Anfang an stand im Zentrum des Projektes das Anliegen, Kindern in Not - unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit - ein neues zu Hause und eine Chance für die Zukunft zu geben. Mit diesem Ziel vor Augen kauften sie ein ca. 1,5 Hektar großes Grundstück im Dorf Ganeshapuram in der Nähe der Provinzhauptstadt Vavuniya. Zwei Jahre später – nach einer langen Zeit des Planens, Arbeitens und Betens – waren endlich genug Gelder zusammen gekommen, um mit den ersten Bauarbeiten zu beginnen.

 

Deutsche Aufbauhilfe in Sri Lanka - Zivildienstleistende und der Tsunami (2002 - 2005)

 

Im gleichen Jahr – 2002 - schickte die christliche Lebenshilfe mit Dagmar Kuglers Sohn Matthias den ersten Zivildienstleistenden im Rahmen des "Anderen Dienstes im Ausland" nach Sri Lanka. Gemeinsam mit Udi errichtete er ein erstes kleineres Gebäude und auch die Wasserversorgung des Grundstückes konnten sie durch eine Erweiterung des Brunnes sichern. Bis Februar 2003 wurde dann auch das Fundament des Hauptgebäudes errichtet, einem Wohnkomplex mit 250 m² Grundfläche, der einmal Platz für bis zu 30 Kinder bieten sollte. Die Arbeit ging voran, doch da das Projekt vollständig ohne Hilfe des sri lankischen Staates realisiert werden musste, waren die Mittel dauerhaft knapp und das Haus konnte nur Schritt für Schritt erweitert werden. Diese Situation änderte sich drastisch am 26. Dezember 2004. Die zerstörerische Kraft des Tsunamis traf die Ost- und Südküste Sri Lankas und tausende Menschen starben, wurden verletzt oder verloren ihr zu Hause. In den darauf folgenden Wochen und Monaten strömten unzählige Helfer aus allen Teilen der Welt und Finanzhilfen in dreistelliger Millionenhöhe in die betroffenen Gebiete. Auch Udi und der damalige Zivildienstleistende Benjamin unterbrachen die Arbeiten am beinahe fertig gestellten Kinderheim und organisierten Hilfslieferungen in die östlichen Gebiete des Landes. Hier regierten damals noch die Rebellen und die offizielle Hilfe wurde den Bewohnern dieser Landstriche von der sri lankischen Regierung verweigert.

 

Nach dem Tsunami: Lasset die Kinder zu uns kommen! (2005 - 2006)

 

Die Arbeit von Udi und Benjamin sollte im Laufe des Jahres 2005 belohnt werden, denn von der Hilfsbereitschaft aus dem Ausland profitierte auch das "Loving Children's Home". Es kamen immer wieder externe Helfer, um am Kinderheim zu arbeiten und durch die überwältige Spendenbereitschaft von zahlreichen Gemeinden und Privatpersonen konnten im August 2005 die ersten Kinder aufgenommen werden. Mit Kantharuban, Viejekanthen und Sanjeeban zogen die ersten drei Kinder in das Loving Children's Home ein. Da die teilweise sehr strengen behördlichen Auflagen an das Kinderheim getrennte Häuser für die Aufnahme von Jungen und Mädchen vorsehen, können wir bis jetzt nur Jungen ein neues zu Hause geben. So waren wir in der Lage, zwischenzeitlich vierzehn Kinder im Alter von 2-17 Jahren aufzunehmen. Fast alle dieser Kinder haben während des Krieges mindestens einen Elternteil verloren und stammen aus extrem armen Verhältnissen.

 

Krieg und Frieden in Sri Lanka (2006-2014)

 

Die Kriegssituation begleitete uns bis in das Jahr 2009 und zeigte auch dann noch seine Nachwirkungen. Aufgrund einer erhöhten Gefährdungslage durch Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen - auch in unmittelbarer Nähe des Kinderheimes – waren wir gezwungen, den dritten Zivildienstleistenden Paul bereits nach sechs Monaten, der Hälfte seiner Dienstzeit, im Jahr 2006 wieder nach Hause zu schicken. Die Gefahr für ihn war einfach zu groß geworden. Auch die Mitarbeiter des Projektes und die Kinder mussten sich in den folgenden drei Jahren ruhig verhalten, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Die Situation war angespannt. Auch die Weiterentwicklung des Projekts musste unter diesen schwierigen Umständen gestoppt werden. Erst seit dem Sommer des Jahres 2009 hat sich durch die militärische Niederlage der tamilischen Rebellen die Situation wieder so entspannt, dass wir und ausländische Besucher und Helfer sich wieder frei und sicher bewegen können. In den Folgejahren konnten wir immer wieder Kindern und Jugendlichen ein zu Hause geben, die durch die Kriegssituation mindestens einen Elternteil verloren hatten und kurz davor waren auf der Straße zu landen oder dort bereits lebten. Einige blieben bis heute, andere kamen hinzu und einige konnten auch wieder zu ihren Familien zurück, denen es nach dem Ende des Krieges zunehmend gelang, in ein sicheres Leben zurückzukehren.

 

Eine Zeitenwende: Das Kinderheim richtet sich neu aus (2014 - heute)

 

Seit Ende des Krieges hat sich Sri Lanka schrittweise aber spürbar verändert. Zwar herrscht nach wie vor Mißtrauen zwischen der singhalesischen Mehrheit und der tamilischen Minderheit des Landes und auch alle Kriegswunden und -traumata sind noch nicht verheilt. Jedoch hat sich seit dem Kriegsende im Sommer 2009 eine spürbare Verbesserung der Lebensumstände vieler Familien, Kinder und Jugendlicher in der Region Vavauniya ergeben. Zudem sind aus einigen der Kinder, die nun schon seit zehn Jahren im Loving Children's Home leben, junge Männer Anfang zwanzig geworden, die beginnen, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen.

Vor diesem Hintergund passt sich derzeit auch das Loving Children's Home an die Bedürfnisse des Landes an. In einer Zeit, in der die zuständigen Behörden an vielen Stellen nun selbst die Verantwortung übernehmen können, benötigt die Region Vavauniya derzeit vor allem die Betreuung und Unterbringung von behinderten Jugendlichen und Kindern. Körperlich und geistig behinderte Menschen fristen durch die kulturellen Mechanismen der Sri Lanksichen Gesellschaft oftmals ein Schattendasein ohne Perspektive. Es kommt häufig zu Fällen, in denen diese Menschen durch ihre Familien verstoßen werden. In Absprache mit den zuständigen Behörden hat das Loving Children's Home deshalb im Januar 2015 das erste behinderte Kind aufgenommen. Gemeinsam mit den gesunden Schützlingen des Kinderheims möchten wir Hershone ein zu Hause geben, in dem er sich angenommen und geliebt fühlt sowie sich eine Perspektive für sein weiteres Leben aufbauen kann. Weitere Kinder und Jugendliche mit Behinderung sollen in Zukunft folgen und gemeinsam mit den gesunden Kindern des Heimes aufwachsen und lernen. Ein wichtiges Element unserer Arbeit ist dabei vor allem die Ausbildung der Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule gehen. Sie sollen mit unserer Hilfe einen Beruf erlernen, der sie in ihrem zukünftigen Erwachsenenleben befähigt auf eigenen Beinen zu stehen und selbst Verantwortung zu übernehmen.

 

Mit der Liebe Jesu Christi, der Hilfe unserer Mitarbeiter, dem Engagement neuer Freiwilliger und der materiellen und immateriellen Unterstützung aus dem In- und Ausland hoffen wir, in den kommenden Jahren noch weitere gesunde und behinderte Kinder und Jugendliche aufnehmen zu können, die unsere Hilfe brauchen.

​Eine Flucht nach Deutschland – oder wie alles Begann

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